Cottbuser Chaostage

Aus BrandenburgPunk

Im August 2001 sollten die sogenannten Cottbuser Chaostage stattfinden.

Geschichte

Anfangsstadium

Seit Anfang 2001 kursierten zum Teil handgeschriebene und aus Zeitungsschnippseln zusammengesetzte Handzettel, die zu "Chaostagen" vom 3. bis 5. August in Cottbus aufriefen. Anfang Juli schalteten sich Polizei und Medien ein, die ein Horrorszenario aus brennenden Straßen heraufbeschworen. Insgesamt wurden zur Unterbindung der sogenannten Chaostage inoffiziell 2000 Beamte angekündigt, denn sowohl Polizei als auch die Lausitzer Rundschau beriefen sich nur auf vage Vermutungen, gestützt durch nicht näher benannte Quellen im Internet und Aufrufe die dort die Runde machen sollten. Selbsternannte Experten sprachen von bis zu 4000 Punks und Krawallmacher die zu erwarten seien.

Die subulturelle Szene Cottbus und deren Umfeld erlebte in den Wochen davor eine erhöhte Polizeipräsenz. Zum Beispiel wurde das Haus des Vereins für ein multikulturelles Europa in der Parzellenstraße 79 Ziel nicht gerechtfertigter Polizei- und Ordnungsamtsmaßnahmen der Stadt Cottbus. So wurde beispielsweise die Dachluke des Vereinshauses unter dem nicht zutreffenden Vorwand, es würden Steine auf dem Dach liegen, verschlossen. Ende Juli gab die Stadt Cottbus eine Allgemeinverfügung heraus in der, in Ermangelung einer Veranstaltungsanmeldung, kurzerhand alles verboten wurde, was irgendwie den "Chaostagen" zuzurechnen wäre. Es wurde eine Verbotsverfügung bekanntgegeben, die es Polizeibeamten erlaubte, nach subjektiver Einschätzung Platzverweise und Aufenthaltsverbote auszusprechen sowie Ingewahrsamnahmen durchzuführen. Eine Demonstration für Bewegungsfreiheit im Öffentlichen Raum, gegen den Abbau von Bürgerrechten und gegen Polizeiwillkür wurde kurzerhand als Veranstaltung der Chaostage qualifiziert und verboten. Potentiellen TeilnehmerInnen wurde ganz allgemein bei Zuwiderhandlungen unmittelbarer Zwang angedroht. Es kam zu immer mehr Polizeikontrollen, ein Großteil der Jugendlichen von Cottbus stand unter Generalverdacht. Polizeisprecher äußerten sich im Vorfeld teilweise diskriminierend gegenüber vermeintliche und wirkliche Anhängern der Punkszene. Die ersten polizeilichen Maßnahmen begannen dann bereits am Mittwoch, dem 1. August. Es wurden Ingewahrsamnahmen von einzelnen Punks bekannt. Aufgrund der Umstände dieser ersten Maßnahmen entschlossen sich Cottbuser Jugendinitiativen ein Kontakttelefon für Betroffene einzurichten, dass in den folgenden Tagen erreichbar war und auch stark in Anspruch genommen wurde.


Am Tag der angekündigten Chaostage

Trotz gegenteiliger und fragwürdiger Berichterstattungen in den Medien, nach denen sich in erhöhtem Maße Punks und Anhänger einer gewaltbereiten Szene in den Wäldern um Cottbus aufhalten sollten, welche versuchten in die Stadt zu gelangen, versammelten sich am 3.-5. August nur relativ wenige Jugendliche in der Stadt. Die angekündigten Chaostage fanden nicht statt. Es gab keine Straßenschlachten und keine Plünderungen. Es gab keine Ansammlungen von Punks bei denen diese gewalttätige Ausschreitungen provoziert hätten. Die Zahl von außerhalb anreisender Punks war gering, bei ihnen handelte es sich hauptsächlich um Jugendliche aus der Region, vereinzelt aus angrenzenden Bundesländern. Trotz ruhiger Lage fanden immer wieder Kontrollen im Stadtgebiet statt. Jugendlichen wurden Platzverweise und Aufenthaltsverbote erteilt. Etliche wurden in Gewahrsam genommen. Einschätzungen, wie: Cottbus sei zum "Truppenübungsplatz" geworden oder: es würde ein "Polizeisportfest" stattfinden, machten die Runde. Es war eine permanente Präsenz von Polizei und BGS zu erleben. An allen größeren Zufahrtsstraßen sowie am Bahnhof waren Kontrollstellen eingerichtet. Ein Polizeihubschrauber kreiste über der Stadt. Einsatzwagen der Polizei und uniformierte Beamte prägten das Stadtbild. Kontakte mit Polizeibeamten verliefen unterschiedlich. Es waren Polizisten anzutreffen, die aggressiv reagierten, andere blieben angesichts der ruhigen Lage eher entspannt. Bei auswärtigen Polizeieinheiten war zum Teil Unkenntnis über örtliche Gegebenheiten erkennbar. Insgesamt herrschte Unsicherheit darüber, welche polizeilichen Maßnahmen und wie sie anzuwenden waren. Es sollen darüber hinaus Beamte zum Einsatz gekommen sein, gegen die Ermittlungsverfahren wegen angezeigter Übergriffe auf Punks anhängig waren. Nach Berichten wurden 58 Personen in Cottbus kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen.

Das Chaos wurde letztendlich nicht von sich treffenden Punks verursacht sondern von einer überdimensioniert präsenten und Grundrechte aushebelnden Polizei.


Nachwirkungen

In der Öffentlichkeit wurden die ausgebliebenen Chaostage vor allem als erfolgreiche Polizeimaßnahme dargestellt. Das Ausbleiben von Sachbeschädigungen und unerlaubten Veranstaltungen im Zusammenhang mit den sogenannten Chaostagen erklärte sich fast von selbst mit einer offiziellen Polizeistatistik, in der von 133 Aufenthaltsverboten, 89 Platzverweisen und 59 Ingewahrsamnahmen die Rede war. Diese Maßnahmen trafen hauptsächlich Jugendliche, die zum großen Teil aus Cottbus waren. Eine Szenezugehörigkeit spielte dabei nur eine nachrangige Rolle. Die Maßnahmen trafen Punks ebenso wie Hip-Hoper oder Jugendliche, die sich keiner Szene zugehörig fühlen.

Der Cottbuser Polizeipräsident Jürgen Lüth äußerte sich in einer Pressekonferenz vom 07.08.2001 zu dem Einsatz und sagte: Wir gehen davon aus, dass wir angemessen den Einsatz vorbereitet haben und auch letzten Endes durchgeführt haben.. Brandenburgs Innenminister Jörg Schöhnbom (CDU) lobte das Konzept der Sicherheitskräfte, das sich voll bewährt habe. wusste die Berliner Morgenpost bereits am Montag zu berichten, einen Tag nachdem der Polizeieinsatz endete.

Cottbuser Jugendinitiativen hingegen erhoben schwere Vorwürfe. Es wurden Grundrechte, wie das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) oder auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) mehrfach von der Polizei mißachtet. Eltern von Cottbuser Jugendlichen, die polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt waren, gründeten eine Initiative und wandten sich mit einem Offenen Brief an Bundesinnenminister Schily.


Weblinks